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Ende von „Circus HalliGalli“ Finale Affen-Überzuckerung

today21. Juni 2017

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„Circus HalliGalli“ ist nicht mehr. Zum Finale schenkten sich Joko und Klaas eine gediegene Nostalgie-Gala. Ja, es gab Tränen – und eine ziemlich klare Botschaft an TV-Programmdirektoren.

Am Ende bebt Klaas, Joko kippt die Stimme hinüber. „Unfassbar dankbar“ sei er, sagt Joko Winterscheidt und wird immer kieksiger dabei, „ich habe jede Sekunde geliebt“ – dann geht es nicht mehr weiter. „Soll ich schnell machen?“, fragt sein ewiger Komplize Klaas Heufer-Umlauf, dann ringt der Kompagnon seine Rührung doch noch kurz zurück in den artikulationsfähigen Bereich.

„Ich bin dir einfach…“, sagt Joko, „Ja“, sagt Klaas, und dann gehen sie ins Licht.

Der völlig entfesselte Überschwang, die finale Affen-Überzuckerung, die man als letzten lauten Flatterer aus dem gigantischen Furzkissen erwartete, das „Circus HalliGalli“ seit 2013 aufgepumpt hatte, blieb in der finalen Folge aus. Stattdessen war der Abschied so etwas wie die würdevolle Implosion eines Formats, das „niemals jemandem egal war“, wie Heufer-Umlauf es in seinen Abschiedsworten formuliert, eigentlich ein eineinhalbstündiger Zusammenschnitt, wie schön sich die beiden Yin-Yang-Witzelanten in der vergangenen vier Jahren (und in anderen Formaten schon weitere vier davor) gestritten, geschämt, geprügelt und wie Bolle amüsiert haben.

Schon der Auftritt der beiden ist unterlegt von cinemaskopischer Wildpferdherde-Galoppiermusik, vorsorglich habe man eine „Heulbox“ eingerichtet, heißt es dann, in der sich die Bühnenprotagonisten im Fall der Fälle zum diskreten Abflennen zurückziehen könnten. Schön, dass dann noch ein letztes Mal die Rubrik die Regie übernimmt, die ohnehin so etwas wie der grobe Bauplan von „Circus HalliGalli“ war: Betrunkene, aus einer fiesen Saufstätte rekrutiert, dürfen bestimmen, was in der letzten Folge passieren soll – und produzieren genau die Art von filterfreiem Rumgespinne, die die besten Momente der Sendung ausmachten. Weil ihr von Anfang an genau jene korrigierenden „Okay, aber jetzt mal ernsthaft“-Bremsklötze fehlten, die anderswo die kreativsten Schnapsideen dann eben doch nicht umsetzen.

Der Circle-of-Life-Moment der Show

Ein letztes Mal sind also die aufrichtig und völlig unmetaphorisch Besoffenen am Ruder, setzen den leibhaftigen Thomas Gottschalk in Sabines Showkabüffchen, statten Klaas und Joko mit plausiblen Bierdosengürteln aus, lassen Sido mit einem Chihuahua und zum Totenhemd gelabberten Hip-Hop-Hemdchen auftreten und ehren den „Nicer Dicer“ mit einem Gastauftritt, jenes faszinierende Küchengerät, das jeder Ausgeh-Lädierte von wohlig-schaurigen Aufwachsituationen auf dem Sofa mit wüstentrockenem Mund und laufendem Teleshopping-Kanal kennt.

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Fast schade, dass die Suffskis nicht direkt auch die Premiere von Caspers neuer Single „Sirenen“ mit inszenieren, wo sie gerade so schön in Fahrt sind, stattdessen gibt es hier viel ernst gemeinte Strobo-Action und zumindest schon mal eine Zeile, die im Kopf bleibt: „Guten Morgen, wir sind am Arsch.“

Kaum begonnen, rattert das Finale dann schon die Bucket List der noch zwingend zu erledigenden Momente ab: Es gibt eine letzte Showsippenschwelgerei mit Palina Rojinski und Sabine und einen letzten Countdown-Moment, der diese Showidee Circle-of-Life-mäßig zurück zu seinem Ursprung führt: Wie beim ersten Einsatz dieser Dada-Unterbrechung wird der rätselhafte Fritz mit einer Kindereisenbahn auf die Bühne gefahren, wobei er seine Viral-Weise „Thüringer Klöße“ zum Besten gibt.

Junge Leute haben Gefühle fürs lineare Fernsehen!

Dann umschmalzt James Blunt ein letztes Mal Schmähkritiken wie „Klaas ist klein wie Scheiße“, im Kostüm des Showmaskottchens Halligallino steckt natürlich der chronische Gast Matthias Schweighöfer, Sabine geht Kippen holen und gerät in ein Rap-Medley, in dem Jan Delay, Kool Savas und weitere Größen Joko und Klaas in einem finalen Diss rösten.

Der Abschied gehört dann den Moderatoren allein, zu zweit sitzen sie mit Whisky-Karaffe da und verabschieden sich von ihren Zuschauern, bevor sie eine letzte schlängelige Kamerafahrt durch Ensemble und Teammitglieder in die Freiheit entlässt.

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Das kann einen auf jeden Fall rühren, wenn man nur ein wenig Sympathie für „Circus HalliGalli“ hatte. Das wirklich Bewegende spielt sich zeitgleich auf Twitter ab. „Ihr wart das „Wetten, dass..?“ meiner Zwanziger! Nur mit Gin statt Kakao. Danke für die acht Jahre“, schreibt jemand, und eine andere: „Da sitzt man mit Anfang 20 heulend auf dem Sofa wegen einer Sendung, die die einzige Konstante im Leben war.“

Die jungen Leute, sie haben ja doch noch Gefühle fürs olle, lineare Schnarch-Fernsehen! Kann jemand mal die Programmdirektoren wecken, und ihnen sagen, dass auch das schon hundertfach mit Leichenreden besprochene Einmal-in-der-Woche-Showprinzip immer noch funktionieren, begeistern und binden kann, wenn man es gut macht? Es lohnt sich, diesen jungen, wunden Zuschauerherzen nun etwas Neues zu schenken. Eine Sendung, die so furchtlos ist, wie es „Circus HalliGalli“ in seinen letzten Wochen war.


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